Arbeitsstelle für Literatur in Bayern
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Forschungsprojekt: Konservative Netzwerke im literarischen Feld. Der Briefwechsel Josef Hofmillers und der Münchner Literaturbetrieb 1892–1933

Ein Kooperationsvorhaben zwischen der Arbeitsstelle für Literatur in Bayern und Ass.-Prof. Dr. Michael Pilz


Der konservative Literaturkritiker, Philologe und Übersetzer Josef Hofmiller (1872–1933) zählte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu den maßgeblichen Akteuren des Münchner Literaturbetriebs. Im Hauptberuf als Gymnasiallehrer tätig, fungierte der vielfältig engagierte Kultur- und Literaturvermittler u. a. seit 1904 als Mitherausgeber der einflussreichen "Süddeutschen Monatshefte" sowie in den 1920er Jahren als langjähriger Literaturkritiker der "Münchner Neuesten Nachrichten" und als literarischer Berater des Albert-Langen-Verlags. Seine Rolle als Netzwerker im literarischen Feld wird nicht zuletzt an einem umfangreichen Briefwechsel ablesbar, der in wesentlichen Teilen in der Monacensia im Hildebrandhaus und im Deutschen Literaturarchiv Marbach überliefert ist. Zu Hofmillers häufigen Korrespondenzpartnern zählten u. a. Thomas Mann, Hermann Hesse, Hugo von Hofmannsthal, Rudolf Alexander Schröder, Rudolf Borchardt, Alfred Walter von Heymel, Elisabeth Förster-Nietzsche, Maximilian Harden, Michael Georg Conrad, Paul Heyse, Max Rychner, Ludwig Thoma, Josef Ruederer und zahlreiche weitere Autorinnen und Autoren aus dem Umfeld der Zeitschriften "Die Gesellschaft", "Süddeutsche Monatshefte", "Der Kunstwart" und "Corona". Hofmillers Briefwechsel hält damit wichtiges Quellenmaterial für die Geschichte des deutschsprachigen literarischen Lebens zwischen Naturalismus und Nationalsozialismus bereit. Er ermöglicht bislang wenig beachtete Einblicke in die konservativen Netzwerke des Buch-, Verlags- und Zeitschriftenwesens mit München als wesentlichem Knotenpunkt. Seine geplante Edition wird nicht zuletzt einen Beitrag zum Verständnis des deutschen Konservatismus und seiner Publizistik liefern.
Über die Literaturwissenschaft hinaus ist Hofmillers Korrespondenz aber auch für andere Disziplinen von Relevanz – so etwa für die Musikwissenschaft (aufgrund von Hofmillers Kontakten zu Komponisten wie Hans Pfitzner oder Max Reger), die Philosophiegeschichte (mit Blick auf Hofmillers Rolle als Nietzsche-Exeget und seine schon früh bestehenden Verbindungen sowohl zum Weimarer Nietzsche-Archiv wie auch zu dessen Kritikern) oder auch für die bayerische Landesgeschichte (in Hinblick auf Hofmillers Rolle als Kommentator der Revolutionsereignisse von 1918/19 sowie seine Beziehungen zum Pressekonzern um Paul Nikolaus Cossmann und zur monarchistischen Opposition um Kronprinz Rupprecht von Bayern am Vorabend der nationalsozialistischen Machtergreifung).


Bis dato ist dieser Briefwechsel nur äußerst unzulänglich erschlossen, da die von Hofmillers Witwe während des "Dritten Reiches" in zwei Bänden sowie nach 1945 in einem weiteren Auswahlband herausgegebenen Briefausgaben in keinster Weise philologischen Standards entsprechen: Durch nicht ausgewiesene Eingriffe und Kürzungen massiv an die Erwartungshaltungen der jeweiligen Zeitsituation angepasst, trugen diese Ausgaben vielmehr zur Etablierung eines verzerrten Hofmiller-Bildes bei, das auch daraus resultiert, dass sie einen wesentlichen Teil der literaturwissenschaftlich relevanten Briefe des Autors zugunsten eines unverhältnismäßig hohen Anteils seiner Privatkorrespondenz (insbes. mit Familienmitgliedern) aussparen.